Von Krise keine Spur: Luxusuhren haben seit Jahren Hochkonjunktur. Angezogen vom Versprechen sagenhafter Wertzuwächse wagen sich immer mehr Anleger auf der Uhrensuche auch ins Internet. Aber Vorsicht: Nicht jedes Online-Schnäppchen hält, was es verspricht.
Wer beim Börsengang der Firma Apple 1980 eine Aktie für $22 gekauft hat, hätte heute (nach drei Aktiensplits und einem aktuellen Börsenkurs von rund $440) immerhin 1.900 Prozent Gewinn gemacht. Ein gutes Geschäft? Von wegen: Die Rolex, die Schauspieler Roger Moore 1973 im legendären James Bond-Film „Leben und sterben lassen“ trug, wurde im März 2011 auf einer Aktion bei Christie’s in Genf für fast 200.000 Dollar verkauft – inflationsbereinigt ein Gewinn von etwa 13.000 Prozent!
Klar, dass bei solchen Gewinnaussichten alte Uhren heute ein Renner sind, nicht nur unter Liebhabern seltener Chronographen, sondern auch bei schlauen Geldanlegern. Einer Studie der Unternehmensberatung Bain & Company zufolge wuchs der Markt für Luxusuhren 2012 um 14 Prozent auf über 35 Milliarden Euro. Zehn Milliarden Euro gaben Kunden alleine für gebrauchte Uhren aus, schätzt Tim Stracke, Chef der Onlineplattform Chrono24.
Strackes Unternehmen mit Sitz in Karlsruhe gilt inzwischen neben dem Internet-Auktionshaus eBay als die erste Anlaufstelle für Uhrenfreunde im Internet. Sein Marktplatz werde im Durchschnitt fast 150.000 Mal am Tag besucht. Uhren im Wert von ca. 300 Mio. EUR werden pro Jahr über Chrono24 gehandelt, sagt der Online-Unternehmer, und zwar mit stark steigender Tendenz.
„Der wachsende Internethandel wirbelt die Regeln im Uhrengeschäft gehörig durcheinander“, schrieb im Frühjahr das „manager magazin“. Kein Wunder: Die Preise, die im Onlinehandel verlangt werden, liegen oft um ein Viertel unter dem vom Hersteller empfohlenen Ladenpreis. Die Wirtschaftsflaute der letzten Jahre hat ein Übriges dazu getan, dass die Zahl der Uhren-Schnäppchen im Onlinehandel gestiegen ist. Uhrenbesitzer aus Südeuropa, wo die Eurokrise besonders hart greift, verscherbeln häufig ihre teuren Schmuckstücke im Internet, zum Teil mit schmerzhaften Abstrichen.
Fachleute warnen allerdings vor der Gefahr, einem unseriösen Anbieter oder einer plumpen Fälschung aus Asien aufzusitzen. Außerdem gehört einiges an Erfahrung und Marktkenntnis dazu, die richtigen Marken und Modelle auszuwählen, die einen hohen Wertzuwachs garantieren. Rolex, Omega und Breitling führen die Liste der Top Ten bei Chrono24 an (siehe Kasten), zumal die Lieferzeiten für Neuuhren der führenden Marken inzwischen oft bei mehreren Monaten liegen – eine „Gebrauchte“ kann dagegen per Mausklick in wenigen Tagen am Handgelenk des neuen Besitzers prangen.
Gleichzeitig wächst allerdings auch die Zahl der oft erstaunlich gut gemachten Fälschungen, beziehungsweise der Fälle von plumpem Betrug: dubiose Internet-Anbieter kassieren und liefern überhaupt nicht. Tim Stracke und sein Unternehmen arbeiten deshalb auch an einem Treuhandservice, bei dem Chrono24 dafür sorgen wird, dass der Kaufpreis erst dann fließt, wenn die Uhr angekommen ist und für echt befunden wurde. Strackes Rat an Kunden von Privatanbietern lautet denn auch: „Treffen Sie sich mit ihm bei einem vertrauenswürdigen Fachhändler – wenn es um viel Geld geht, wird ein seriöser Verkäufer sich darauf einlassen“ (siehe Interview).
Stracke und seine Mitstreiter überlegen heftig, wie sie ihre Kunden auf Chrono24 mit neuartigen Hilfsangeboten die Suche nach der „richtigen“ Uhr erleichtern und das Risiko minimieren können. Eine Idee, die inzwischen bereits umgesetzt wurde, ist der „Buying Agent“: Ein erfahrener Uhrenfachmann begleitet den Kunden bei der Auswahl und beim Kaufprozess begleitet und auf Wunsch auch die Kommunikation mit dem Verkäufer übernimmt. „Der persönliche Agent versucht in aller Regel auch, den Preis nach unten zu verhandeln“, behauptet Tim Stracke. Mit etwas Glück springt dabei mehr heraus, als die 99 Euro, die der Sonderservice kostet. „Und wer nicht zufrieden ist, bekommt sein Geld anstandslos zurück“, verspricht der Marktplatzchef.
Und was ist mit den sagenhaften Gewinnspannen wie die der James Bond-Uhr? Experten sind da vorsichtig: Wer das Glück hat, eine Royal Oak von Audemars Piguet oder eine Daytona Newman von Rolex zu ergattern, kann sich auf kräftigen Wertzuwachs freuen – aber wahrscheinlich erst nach Jahren oder Jahrzehnten. Aber im Gegensatz zu anderen Wertanlagen wie Goldbarren oder Aktien haben Luxusuhren einen entscheidenden Vorteil: Man kann sie in der Zwischenzeit ja tragen!
Für manche Uhrenfreunde ist es dabei nicht einmal so wichtig, dass die Uhr auch die richtige Zeit anzeigt. Uhren sind ja Schmuckstücke. Das hat auch Michael Görmann erkannt. Der Uhrenspezialist aus Pastetten bei München arbeitete früher in der Uhrenindustrie und kam dort auf die Idee, aus den Mechaniken alter Armbanduhren Accessoires wie Manschettenknöpfe und Pins herzustellen. „Die ersten stammten von einem 85 Jahre alten Schweizer Uhrmacher“, erinnert er sich. „Darüber hinaus habe ich gute Kontakte in die Schweizer Bergwelt. Dort schlummern noch in manchem alten Holzschrank ein paar alte Uhrwerke.“ Die spürt er heute auf und verwandelt sie in mühevoller Handarbeit in edlen und vor allem zeitlos schönen Herrenschmuck.