Mein Masseur kam gerade aus Vancouver zurück, wo er die deutsche Eishockey-Nationalmannschaft betreut hat (nein, nicht die falsche Massagetechnik war an dem Debakel schuld, sagt er) und er zeigte stolz den USB-Stick, auf dem die IOK allen Teilnehmern die Informationsunterlagen überreicht hat. Es hat einen schönen Bändel mit bunten olympischen Ringen, damit man es um den Hals hängen und sich damit als echten Olympikonen ausweisen konnte. Und wir kamen ins Erzählen. Ich habe eine ganze Schublade voll mit solchen Sticks, denn inzwischen gibt es ja keine Pressemappen mehr aus Papier. Statt dessen bekommt man als Journalist bei jeder Pressekonferenz eine Stick, da sind alle Texte und Bilder drauf.
Natürlich löschen wir die gleich wieder, weil wir ja den USB-Stick für andere Dinge verwenden wollen. Mein Masseur hat es genauso gemacht: “Wir haben uns alle gegenseitig damit die Digitalfotos ausgetauscht, die wir bei Olympia gemacht haben”, meinte er. Was uns zweierlei lehrt: Erstens, dass nichts so vergänglich ist wie digitale Daten und zweitens, dass die Technik oft für Dinge verwendet wird, für die sie gar nicht gedacht war.
Vor allem erinnerte mich das alles an meine frühe Journalisten-Jugend bei der Rhein-Neckar-Zeitung in Heidelberg. Das heißt: Mich hat es in den hintersten Winkel von badisch Sibirien verschlagen, das “Madonnenländchen” rund um Buchen im Odenwald, der letzte Außenposten der RNZ, bevor man Feindesland betrat, nämlich das Verbreitungsgebiet der Main-Tauber-Post (ob es die noch gibt?). Wir schrieben damals unsere Texte auf der alten Olympia “Monika”, und wir schrieben sie auf der Rückseite von alten Pressemitteilungen, weil unser Verleger, der alte Dr. Hermann Knorr, das mal in einem Rundschreiben an alle Redakteure und Volontäre festgelegt hat. Er war eben ein sparsamer Mann, und neues Papier war teuer.
Der alte Knorr hat sich sogar selbst übertroffen: Ihm war aufgefallen, dass einige von uns ein ganzes Blatt benützten, um eine kurze Meldung zu schreiben. Das machte ihn wütend, und so kam eines Tages ein neues Rundschreiben, in dem wir gehalten wurden, ein halb vollgeschriebenes Blatt in der Mitte abzureißen und die unter Hälfte für die nächste Meldung zu verwenden. Wohlgemerkt: Es handelte sich um Papier, dass ihm die Pressestellen und Agenturen geschenkt hatten, indem sie uns darauf ihre Pressemeldungen schickten.
Ich bin mir nicht sicher, ob diese Geschichte eine Moral hat, aber sie fiel mir eben ein angesichts der unverhofften und vermutlich auch ungewollten Zweitverwendung der teuren Nachrichtenträger. Aber vielleicht die, dass Texter schon immer und lange vor dem Zeitalter von Blogs und Leser-Reportern mit unserer eigenen Vergänglichkeit leben mussten. Worin wurde früher Fisch eingewickelt? Na, klar: Mit der Zeitung von gestern…