Im Frühjahr 2012 hat Deutschland die digitale Wasserscheide erreicht. In diesem Monat wurden laut einer Studie des IT-Branchenverbands BITKOM erstmals mehr so genannte Smartphones verkauft, also internetfähige Mobilfunkgeräte, also altmodisch „dumme“ Handys, mit denen der Besitzer einfach nur telefonieren kann.
„Das mobile Internet ist ganz anders als das alte Internet“, scherzte BITKOM-Präsident Prof. Dieter Kempf bei der Präsentation der Studie. Seiner Meinung nach stehen Nutzer und Anbieter nach Web und Social Media unmittelbar vor der nächsten, der dritten Internet-Revolution – und das binnen gerade Mal anderthalb Jahrzehnte. Bis Ende 2013, so eine aktuelle Studie des Bankhauses Morgan Stanley, wird die Zahl der Menschen, die mobil ins Internet gehen, höher liegen als diejenigen, die wie bisher über fixe Leitungen gesurft haben.
Das hat massive Folgen für das Konsumverhalten. Längst hat sich in der Online-Welt der Begriff „mobile commerce“ etabliert, der den Verkauf von Produkten und Dienstleistungen an Kunden beschreibt, die von unterwegs aus auf Angebote und Online-Werbung zugreifen. „M-Commerce forciert das Wachstum im ohnehin rasanten E-Commerce“, glaubt Michael Topler von der Hamburger Agenturgruppe UDG. Seinen Kunden stellt der Kommunikationsprofi in seinen Vorträgen und Präsentationen immer häufiger die Frage: „Haben Sie Ihren Internet-Auftritt schon auf das mobile Web und die neue Vielfalt der Endgeräte vorbereitet?“
Die Antwort lautet leider meistens: nein.
Das ist schade, denn der mobile Kunde scheint dabei zu sein, oft ganz andere Kauf- und Kommunikationsgewohnheiten zu entwickeln als diejenigen, die sich brav von daheim oder vom Büro-PC aus ins weltweite Netz einwählen.
– Fast 40 Prozent der Smartphone-Besitzer gehen online, bevor sie morgens aus dem Bett steigen, sagen die Marktforscher von Market Date Report.
– Jede Sekunde findet auf der Auktionsplattform eBay inzwischen ein mobiler Kauf statt.
– Die Zahl der mobilen Suchanfragen hat wird sich nach Schätzungen von Google Deutschland nochmal verdoppeln: Ende 2012 wird jede fünfte Suche von einem mobilen Endgerät aus erfolgen.
Und nicht nur das: Mobile Kunden suchen auch anders. In der noch jungen, aber ungemein dynamischen Branche der Suchmaschinen-Optimisierer beginnen sich Agenturen und Fachleute auf eine ganz neue Disziplin zu spezialisieren: „Mobile Search“. Hier werden für die kommenden Jahre ungeahnte Wachstumsraten prognostiziert, denn „Mobile Search und das mobile Displaygeschäft versprechen hervorragende Möglichkeiten, die Kontakthäufigkeit mit dem Kunden zu erhöhen“, wie Patrick Wolff von der Online-Marketingagentur eWolff im schwäbischen Heimsheim bei Stuttgart behauptet.
Anders als bei der herkömmlichen Suche stehen nach seiner Beobachtung vor allem lokale Angebote im Vordergrund, also Dienstleistungen oder Produkte ganz in der Nähe, die man schnell und relativ spontan aufsuchen oder nutzen möchte: Werkstätten, Restaurants, Friseurläden, Hotels. Gleichzeitig gewöhnen sich immer mehr Kunden an, unterwegs Produktvergleiche anzustellen oder sich auf Bewertungs- und Empfehlungportale wie ciao oder qype einzuwählen. Das bestätigt im Übrigen auch eine Nielsen-Studie in den USA, nach der 25 Prozent der Smartphone-Besitzer ihr schlaues Handy verwenden, um im Laden Preisvergleiche mit Online-Anbietern anzustellen. Finden Sie das gleiche Produkt dort billiger, wird aus dem Geschäft heraus im Internet bestellt!
Doch mobile Surfer suchen nicht nur anders, sie sind auch zu anderen Zeiten unterwegs als ihre stationären Kollegen. Eine Studie der Marktforschungsfirma GroundTruth ergab bereits 2010, dass die mobile Nutzung im Tagesverlauf ansteigt und um 21 Uhr den Höhepunkt zu erreichen – wenn die meisten Online-Anbieter eigentlich schon den wohlverdienten Feierabend genießen wollen.
Wie aber wird eine Webseite mobil? Anders als beim großen PC-Bildschirm, aber auch selbst bei Laptops oder Tablet-PCs wie Apples iPad ist auf dem Smartphone das Sichtfenster klein, die Handhabung eingeschränkt. Experten raten deshalb dazu, eigene „Mobil-Versionen“ der Website oder des Online-Shops bereit zu stellen, auf die mobile Besucher über eine „Mobil-Weiche“ umgeleitet werden. Übersichtliche Inhalte, kurze Ladezeiten, weniger und größere Bedienelemente, Knöpfe statt Texteingabe und Suchfelder am Kopf und am Ende der Seite für die schnelle Navigation sind hier ebenso unerlässlich wie auffällige Rufnummern, Kontaktformulare, Karteninformationen und Adressdaten, die einfach zu finden sind, sagt Sebastian Socha von der Agentur WinLocal in Frankfurt (siehe Interview: „Der mobile Nutzer ist aktionsgetrieben“).
Und wie geht es weiter? Experten wie Patrick Wolff blicken gespannt in die Zukunft, wo beispielsweise Google mit seinem „Project Glass“ völlig neue Wege vorzeichnet. Die Suchmaschinenfirma hat eine Brille vorgestellt, die dem Träger E-Mails, Navigationshilfe, und natürlich auch Produktwerbung sowie attraktive Angebote in seiner unmittelbaren Nähe direkt vor das Auge projiziert. Gesucht wird per Sprachsteuerung, und zwar in buchstäblich jeder Lebenssituation. „Das wird der Kern der Zukunft und der mobilen Suche sein“, schwärmt Wolff: „Ob Smartphone, Brille oder intelligente Haus- und Autosteuerungen, wir werden in Zukunft definitiv noch häufiger suchen.