Der Bürger als Kunde: Öffentliche Verwaltung im digitalen Wandel

Digitale Indizes

Kunden haben es immer eilig. Das gleiche gilt für Bürger, die ja die Kunden der öffentlichen Verwaltung sind. Das Problem ist, dass analog zu viel Zeit braucht. Deshalb haben viele Verwaltungen in Deutschland und Österreich auf digital umgestellt. Nur ist die Akzeptanz, sagen wir mal, eher suboptimal. Das liegt oft an mangelnder Digitalkompetenz, oft aber einfach an der Angst, einen Fehler zu machen.

Im eGovernment Benchmark 2024 belegt Österreich trotzdem mit 82 Punkten Platz 12 und liegt damit über dem EU-Durchschnitt (76 Punkte) sowie über dem Durchschnitt aller untersuchten Länder (71 Punkten) und deutlich vor Deutschland (Platz 26) und der Schweiz (Platz 31). Das ist schon fast Skandinavien-Niveau!

Die Vision der Bundesregierung: Die Menschen sollen vertrauenswürdige Services im digital souveränen Österreich nutzen. Der persönliche Kontakt mit der Verwaltung wird weiterhin als wichtig angesehen und ist auch in einer digitalen Welt möglich.

Mit der App „eAusweise“ können Bürgerinnen und Bürger auf die Zulassungsscheindaten ihres Kraftfahrzeugs per Smartphone zugreifen.

Jeder kann heute Digitaldolmetscherin oder Digitaldolmetscher für digitale Angelegenheiten in ihrer Gemeinde werden. Die Registrierung erfolgt in Abstimmung mit der Gemeindeverwaltung. Diesen wurde ein Registrierungslink zur Verfügung gestellt.

Kostenlosen „Digital Überall“-Workshops sollen der Verbesserung der digitalen Kompetenzen der Bürgerinnen und Bürger bewirken.

Die „Digitale Kompetenzoffensive für Österreich“ (DKO) hat das Ziel, unter Einbindung von Ländern und Stakeholdern, möglichst alle Menschen digitalfit zu machen. Das geplante Maßnahmenprogramm umfasst insbesondere die Förderung von Basiskompetenzen, die Einführung eines Nationalen Referenzrahmens sowie die Erhöhung der Zahl der IT-Expertinnen und Experten. Sie veranstaltet gerade 4500 Workshops für Basiskompetenzen.

Digitale  Patientenakte in der Kritik

So ähnlich die Wünsche verbunden mit der Einführung von eHealth in den einzelnen Ländern auch sind, so unterschiedlich sind die Lösungskonzepte und der Stand der Implementierung. Ein Vergleich der Situation in Deutschland und Österreich zeigt das sehr deutlich. Beide Länder verfügen über sehr fragmentierte Gesundheitssysteme mit heterogenen IT-Strukturen und gehen unterschiedlich bei der Einführung von eHealth vor.

Österreich hat bereits im Jahr 2005 durch die Einführung der „E-Card“ wesentliche Voraussetzungen für eine flächendeckende Infrastruktur und daran anschließende Mehrwertanwendungen geschaffen. Die personenbezogene Smartcard dient dort als elektronischer Zugangsschlüssel zur Authentifizierung innerhalb des Gesundheitssystems.

Ausgehend von der E-Card-Infrastruktur treibt Österreich seit einigen Jahren konsequent die Entwicklung einer landesweiten elektronischen Gesundheitsakte, kurz ELGA, voran. Sie soll ein Ende der Zettelwirtschaft im Gesundheitswesen bringen.

ELGA is as ELGA does

ELGA erleichtert Patientinnen und Patienten sowie Gesundheitsdiensteanbietern – behandelnde Ärztinnen und Ärzte, Krankenhäuser, Pflegeeinrichtungen sowie Apotheken – den Zugang zu bestimmten Gesundheitsdaten. „Elektronische Patientenakte statt Papier- und Bleistiftmethoden“ heißt somit die Devise.

Das Werkzeug wurde in Sachen Bedienbarkeit allerdings von Experten durchwegs als „nicht akzeptabel“ bewertet. „Elektronische Patientenakten geraten aufgrund ihrer offensichtlichen mangelnden Abstimmung mit klinischen Arbeitsabläufen zunehmend ins Visier und werden als ein wesentlicher Faktor identifiziert, der zum Burnout von Ärzten beiträgt,“ heißt es in einer aktuellen Studie.

Das Hauptproblem ist, dass wichtige Informationen wie Ambulanzaufenthalte und Facharztbefunde nicht enthalten sind. Auch können bisher nur schriftliche Dokumente hinterlegt werden, was der Idee widerspricht, unnötige Doppeluntersuchungen zu vermeiden.

Außerdem gibt es ein kleines Problem, das Apple heißt. Der Technologiegigant hat nämlich den Zugriff auf die NFC-Funktionen seiner iPhones nicht vollständig für Anwendungen außerhalb der hauseigenen Wallet-Lösungen freigegeben. Ohne diese ist die Digitale Patientenakte für weite Teile der Bevölkerung nutzlos.

Besser läuft es im Zuge des Projektes „Telewundmanagement“. Hier wird die Wundnachkontrolle und -behandlung bei Bewohnerinnen und Bewohnern von Pflegezentren möglich gemacht, ohne in die nächste Wundambulanz aufzusuchen.

Der öffentliche Sektor muss ein Serviceportal für Bürger anbieten, sei es auf kommunaler, Landes- oder Bundesebene.

Dem Bürger entgegenkommen

Die Stadt Neuburg an der Donau macht es beispielhaft vor. In vielen Fällen ersparen sich die Bürger einen Behördengang komplett oder reduzieren die Zahl der Besuche.  Allerdings kann aktuell kein kompletter Online-Service angeboten werden, da für bestimmte Dienstleistungen aus rechtlichen Gründen eine persönliche Vorsprache bei der Stadtverwaltung erforderlich ist.

Damit diese Lösung praktikabel sein kann, muss sie eine Tracking-Funktion besitzen. Stellen Sie sich vor, der Benutzer bricht einen Vorgang mittendrin ab – das würde nicht funktionieren. Mit der Tracking-Technologie wird jede neue Aktualisierung an den Dienst gesendet, sodass der Benutzer jederzeit wieder dort einsteigen kann, wo er den Vorgang abgebrochen.

Sicher ist sicher – oder?

Öffentliche Systeme müssen sicher sein. Dabei ist es wichtig, zwischen Datenschutz und Datensicherheit zu unterscheiden. Den Datenschutz regelt u.a. die DSGVO auf Europa-Ebene – sie gibt dem Bürger die Möglichkeit, seine personenbezogenen Daten selbst zu verwalten und setzt den Behörden strenge Richtlinien.

Ziel der Datensicherheit dagegen ist der Schutz von Daten allgemein, nicht nur von personenbezogenen Daten, so dass deren ordnungsgemäße Verarbeitung gemäß dem Gesetz gewährleistet ist.

Darüber hinaus müssen Dienste aufgrund der Menge der von ihnen verarbeiteten Daten, einschließlich Fotos, Dokumente, handgeschriebener Texte und mehr, über Backup-Lösungen verfügen, um den Verlust öffentlicher Daten zu verhindern. Diese Systeme müssen jederzeit überprüft werden können.

KI im Dienste der Verwaltung

Analytik-Tools können vor Herausforderungen bei der Verwaltung und Analyse großer Mengen an strukturierten Informationen stehen. Der Hauptvorteil dieser Art von Tool besteht darin, dass Daten anhand von Zeitintervallen und Datentypen, die vom Benutzer ausgewählt werden, leicht zu interpretieren sind.

Künstliche Intelligenz (KI) kann dabei helfen, Prozesse in der Öffentlichen Verwaltung zu automatisieren und zu vereinfachen. KI kann bei der Datenanalyse helfen, da sie  innerhalb kürzester Zeit große Datensätze auf Muster untersuchen kann.

Stufenweise zur ERPA

Als Enterprise RPA oder ERPA bezeichnete Tools können logische Pfade erkennen und erstellen, sodass sie eine größere Anzahl von Prozessen modellieren, notwendige Daten sammeln und andere Tools und Systeme nutzen können, ähnlich wie ein Mensch es tun würde.

Aber auch manuelle Systeme bauen auf Regeln auf, auch wenn diese nur in den Köpfen der Mitarbeiter existieren und nicht formal dokumentiert sind. Virtuelle Roboter, auch Robo-Bots genannt, können automatisch einen bestimmten Prozess übernehmen und arbeiten dabei oft Hand in Hand mit bestehenden Systemen zur Automatisierung von Geschäftsprozessen und menschlichen Bedienern.

Laut der Studie „Next Generation Process“ der Berater von Horváth & Partners basiert die Einführung von RPA in der Regel auf einem Vier-Stufen-Modell.

Es beginnt mit der einfachen Automatisierung mittels echter Roboter – eine wichtige Technologie, denn die Zahl der Routineprozesse, die damit automatisiert werden können, ist groß.

RPA-Software führt wiederkehrende Aufgaben nach klar definierten Regeln aus und prüft die Zuverlässigkeit von Daten.

Mit der dritten Stufe der Automatisierung, dem Einsatz von digitalen Assistenten, haben die meisten Unternehmen und Verwaltungen noch wenig bis keine Erfahrung.

Digitale Assistenten erkennen gesprochene und geschriebene Sprache und können die darin enthaltenen Informationen verstehen. Sie extrahieren relevante Daten, verarbeiten sie weiter und fungieren als Bindeglied zwischen Mensch und System. Denken Sie an „Alexia fürs Amt“.

Mit der Zeit lernen die Assistenten, selbstständig Anomalien in den Daten zu erkennen und können proaktiv ihre menschlichen Meister informieren.

Die vierte und höchste Stufe der RPA-Automatisierung ist erreicht, wenn intelligente Software selbstständig handeln und Prozesse anstoßen kann. Diese können ohne menschliches Zutun Entscheidungen treffen und Prozesse selbstständig steuern.

Sie können riesige Datenmassen sehr schnell verarbeiten, was sie im Bereich Predictive Analytics unersetzlich machen wird. Leider sind solche Systeme noch weitgehend Zukunftsmusik – aber es geht ja weiter!

Es gibt eine Menge kleinerer Anbieter im Bereich RPA, aber es wird interessant sein zu sehen, was passiert, wenn die Software-Giganten wie Oracle, SAP und Microsoft auf den Zug aufspringen und kleinere RPA-Anbieter übernehmen, insbesondere wenn es um den Schutz von Kerngeschäftsprozessen geht, wo Sicherheit sowohl wichtig ist als auch leider oft von einigen kleineren Anbietern und ihren Kunden vernachlässigt wird.

Verwaltungs-Software as a Service

Die Notwendigkeit, Softwarelizenzen zu aktualisieren, stellt die öffentliche Verwaltung vor riesige Probleme. Investitionen in Technologie sind teuer. Selbst Text- oder Bildbearbeitungsprogramme leiden unter dieser Art von Bürokratie.

Eine bemerkenswerte Lösung ist Software as a Service (SaaS), die als eine Art Abonnement funktioniert. Software, Updates und sogar digitaler Speicherplatz für Daten sind in dieser Art von Service im Vertrag enthalten.

Insbesondere im öffentlichen Sektor kann die Entscheidung für SaaS kostengünstiger und effizienter sein als der Aufbau einer kompletten Infrastruktur zur Implementierung von Software und zum Kauf von Lizenzen.

Ab in die Wolke!

Eine öffentliche Einrichtung muss täglich mit einer großen Datenmenge umgehen, und natürlich müssen digitale Daten irgendwo gespeichert werden. Für die lokale Datenhaltung müssen immer mehr Server angeschafft werden, um die Informationslast zu bewältigen. Dieses Problem lässt sich mit Cloud-Computing leicht lösen.

Cloud-Computing-Lösungen wie Nextcloud oder Zenkit bieten Benutzern virtuellen Speicherplatz sowie Remote-Zusammenarbeit, gemeinsame Workspaces und HomeOffice.

Werkzeuge und Lösungen gibt es also genug. Bleibt die Frage, was wollen wir eigentlich? Die Digitale Verwaltung muss vom Bürger akzeptiert werden. Die Frage nach einer Maschinenethik steht an, und sie ist am allerwenigsten eine technische und vielmehr eine gesamtgesellschaftliche. Juristen mögen streiten, ob die Straßenverkehrsordnung jetzt ans Digitalzeitalter anzupassen ist, aber am Ende des Tages sind wir, die öffentliche Verwaltung und ihre Kunden – die Bürger – in der Pflicht zu entscheiden, was wir wollen und was nicht.

 

 

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