Nach so eine Frage auf Quora, die ich einfach beantworten musste: „Werden Stereoanlagen bzw. Verstärker und Boxen im Werk auch auf maximalen Einstellungen getestet?“
Ich habe in den 80er Jahren mit zwei Freunden eine Plattenfirma namens Jeton Records gegründet, die auf „Direct2Disc“-Aufnahmen auf Vinyl spezialisert war. CDs gab es noch nicht. Wir haben eine Aufnahme mit Charly Antolini gemacht, dem legendären Schweizer Schlagzeuger. Sie hieß „Knockout“, und mit der Aufnahme verbindet sich eine besondere Geschichte.
Bei Direktaufnahmen wird der Stichel des Matrizenschneiders direkt mit den Mikrofonen verbunden. Alles, was ab diesem Moment im Studio passiert, ist auf der Aufnahmematrize zu hören. Der Aufnahmeleiter kann die Dynamik verändern, in diesem FAll den Abstand zwischen den Rillen der Platte. Wenn sich die Rillen überschneiden, kannst du die Matrize wegschmeißen.
Charly war an diesem Tag nicht gut drauf, hat mehrere Aufnahmen versaut und wurde immer wütender. Schließlich hat er wild draufgeschlagen, und an einer Stelle hielt er inne und schlug dann mit voller Wucht auf alles, was er in Reichweite war!
Der Tontechniker hatte riesiges Glück: In der Pause vor dem großen Tuti-Schlag hat er die Dynamik weit zurückgedreht. Das hat gerade eben gereicht, um ein Überschneiden zu verhindern, und wir hatten Charlys ganze Wut auf Platte gebannt!
Wir haben Platten pressen lassen, und da gerade Funkausstellung in Berlin war, sind wir bei den Boxenherstellern rumgegangen und haben ihne“Knockout“ als Vorführplatten dagelassen.
Es traf sich in dem Jahr, dass gerade alle Hersteller so genannte „Miniboxen“ auf den Markt gebracht hatten. In jeder Ausstellerkabine standen drei Reihen von Lautsprechern: unten die großen Mehrwegboxen, in der Mitte die so genannten Kompaktboxen und oben die Miniboxen. Zum Vorführen schaltete man immer um von einer Boxenreihe zur anderen.
Bei einem Hersteller ergab es sich zufällig, dass er genau in dem Moment auf die Miniboxen schaltete, als Charly ausholte und seine ganze Wut in diesem Riesenschlag entlud. Die kleinen Boxen hüpften daraufhin vom Regal und zerschellten am Boden.
Von diesem Moment an galt „Knockout“ als der „Boxenkiller“, und wir haben die komplette Auflage innerhalb von wenigen Wochen verkauft.
Leider hat Direct2Disc aber auch einen großen Nachteil: Von einer einzigen Matrize lassen sich nur eine begrenzte Zahl von Platten pressen, denn bei jedem Kopiervorgang nutzen sich die Rillen der Matrize ab, bis sie irgendwann unbrauchbar wird. Wir konnten also beim besten Willen nicht mehr als 60.000 Platten herstellen. Das war ein schönes Geld, aber wirklich reich sind wir davon nicht geworden.
Ich bin später aus der Firma ausgestiegen, und einer meiner Partner hat sie alleine weitergeführt. Und eines Tages sah ich zu meinem Erstaunen eine CD im Plattenladen, die „Knockout“ hieß und von Charly Antolini stammte.
Das konnte aber eigentlich nicht sein. Ich fragte also unseren damaligen Techniker im Tonstudio Bauer in Ludwigsburg, und er erinnerte sich, dass sie damals von Sony den allerersten digitalen PCM-Recorder als Teststellung bekommen hatten. Sie hatten also tatsächlich eine noch ziemlich primitive Digitalaufnahme mitlaufen lassen, aber nur so zur Kontrolle. Den muss mein ehemaliger Kollege benutzt haben, um die CD-Version zu produzieren.
Ich habe sie später mehrmals bei voller Lautstärke abspielen lassen, aber meine Lautsprecher haben sich keinen Millimeter bewegt…