Corona und die Grundrechenarten

In Österreich sind letztes Jahr 82.303 Menschen gestorben – woran auch immer. Das sind JEDEN TAG 225,5.

An Covid-19 sind laut Sozialministerium bisher (Stand: 21.3.2020, 15.00 Uhr) 8 von 2.814 registrierten Patienten verstorben. 9 sind wieder genesen.

Ich denke, man muss das alles auch mal perspektivisch betrachten.

Als ich diese Zahlen auf Facebook gepostet habe, kam eine Welle der Empörung zurück. Markus Breuer schrieb: „Ich halte es für irreführend, eine statische Betrachtung nur die aktuelle Situation in einem Land anzustellen. Österreich ist am Beginn der Entwicklung. In Italien sterben am Tag um die 700 Menschen, in Spanien knapp 300. In beiden Fällen mit leider immer noch wachsender Tendenz. Das sind auch (Perspektive) zum normalen Verlauf der Sterbefälle beeindruckende Zahlen.“ Irgendein Volldepp aus Wien entfreudete mich mit dem Worten: „Wieder ein empathieloser Mensch weniger unter meinen FB-Freunden.“ Und Rose Jacobs führte ihre kürzlich verstorbene Mutter ins Feld, die offenbar an einer Lungenentzündung regelrecht ertrank, wie sie schrieb. Genau so würden Coronapatienten aus dem Leben scheiden. Irgendwie, so las man zwischen den Zeilen, sei mir das alles egal.

Deutlicher bin ich wohl noch nie missverstanden worden. Worauf ich nur hinweisen wollte, sind die Folgen der – menschlich völlig verständlichen – Über- und Fehlreaktion von Bürgern und Regierungen angesichts einer für die Betroffenen zwar schlimmen, aber gesamtwirtschaftlich eher marginalen Erkrankungswelle.

Corona wird, das darf man zumindest hoffen, in ein paar Monaten besiegt sein. Die Fortschritte in der Behandlungstechnik und die schneller als erwartete Entwicklung eines Impfstoffs wird, zusammen mit solchen vernünftigen Maßnahmen wie Händewaschen und Abstand halten die Zahl der Neuerkrankungen absenken.

Es ist zwar für die Betroffenen – und das sind alte Menschen wie ich – immer noch schlimm genug, vor allem wenn es für sie keine Krankenhausbetten und Beatmungsgeräte gibt. Aber daran sind wir selber, bzw. das völlig unvorbereitete und überforderte Gesundheitssystem in Ländern wie Italien, Spanien oder den USA schuld. Die Folgen des Zusammenbruchs der Wirtschaft wird uns hingegen noch viele Jahre beschäftigen, und sie werden für viele Menschen weit schlimmer sein als die Krankheit selbst.

Okay, wir leben hier in Europa auf einer Wohlstandsinsel, wir kriegen Stütze oder Kurzarbeitergeld, wir gehen zum Arzt, ohne anschließend zum Konkursrichter zu müssen und persönlichen Bankrott anzumelden. Aber schau bitte in meine Heimat Amerika, wo Coronakranke weiter arbeiten gehen MÜSSEN, weil sie sonst aus der Wohnung fliegen, ihr Auto verlieren oder vielleicht sogar verhungern.

Ich kann gut verstehen, dass ein Kellner in New York oder ein Lagerarbeiter in Kentucky lieber seine Symptome für sich behält und arbeiten geht (wo er natürlich alle Kollegen und Kunden ansteckt) als vor die Hunde.

Die Grenzen zu schließen – übrigens gegen die ausdrückliche Empfehlung der Weltgesundheitsorganisation WHO – war ein haarsträubender Blödsinn! Das sage nicht ich, dass sagen Epidemiologen. Sie ist allenfalls als Signal zu rechtfertigen, damit auch der letzte Laie den Ernst der Lage begreift.

Der Kampf gegen das Virus wird in der aktuellen Lage kaum an den Außengrenzen gewonnen, sondern – wenn – nur im Land selbst. Im „Spiegel“ war dazu ein hochinteressanter Aufsatz, in dem es um die Grundrechenarten ging – Addieren und Multiplizieren. Kommen Kranke über offene Grenzen in ein Land, dann steigt natürlich dadurch die Zahl der Fälle dort. Es findet eine Addition statt. Doch viel stärker ins Gewicht falle eine gleichzeitig stattfindende Multiplikation.

Halte sich die Bevölkerung des Landes nicht an die Maßnahmen zur Senkung der sozialen Kontakte, kann jeder Erkrankte mehrere Menschen neu infizieren. Aus diesen Fällen entstehen wieder Fälle und so weiter, bis irgendwann die Zahl der Menschen steigt, die nach einer Erkrankung zumindest für eine Zeit immun sind.

Der Epidemiologen Christopher Dye von der University of Oxford sagt, „Wir müssen den Multiplikationsprozess stoppen! Der Additionsprozess hat kaum Einfluss – und ihn zu begrenzen, ist mit riesigen sozialen Kosten verbunden.“

 

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