Dank Fortschritte in der modernen Medizin, verbesserte Autosicherheit, gesündere Ernährung und höhere Lebensstandards werden die Menschen immer älter, nicht wahr?
Falsch – jedenfalls in den USA. Dort steigt die Sterblichkeitsrate seit Jahren, in den letzten drei Jahren alleine von 8,580 Todesfälle pro Tausend Einwohner auf 8.800, also um mehr als ein Prozent im Jahr. Besonders erschreckend ist die Zunahme in der Altersgruppe der 25- bis 34jährigen. Dort ist die Sterberate zwischen 2010 und 2017 um sage und schreibe 29 Prozent gestiegen!
Damit sind die Vereinigten Staaten das einzige Industrieland, bei dem die Lebenserwartung von Menschen zwischen 25 und 64, also diejenigen, die sozusagen mitten im Leben stehen sollten, spürbar abnimmt. Insgesamt liegt die durchschnittliche Lebenserwartung eines Amerikaners bei 78,69 Jahren, wie die Weltbank sagt. In Deutschland beträgt sie 80,64, in Frankreich sogar 82,27. Weltweit leben die Japaner am längsten, nämlich 83,98 Jahre.
Und es wird noch schlimmer kommen, sagen die Vereinigten Nationen. Die Sterberate in den USA wird nach ihren Prognosen in den kommenden Jahren steil ansteigen und bis 2053 sogar 10.591 erreichen.
Allerdings sind nicht alle Regionen Amerikas gleichermaßen vom Massensterben bedroht. Das JAMA Health Forum, das von der American Medical Association (AMA) getragen wird, spricht in einer kürzlich veröffentlichten Studie von 33.000 „zusätzlichen Toten“. Ein Drittel davon gehen auf das Konto von nur vier Bundesstaaten, nämlich Ohio, Pennsylvania, Kentucky und Indiana – alles Staaten, in denen Konservative bei der Wahl 2016 die Oberhand hatten. Überhaupt sterben die Menschen in den so genannten „roten“ Staaten, also in den Hochburgen der Republikaner, deutlich früher als die Bewohner von blauen Staaten, wo meist Demokraten die Politik bestimmen. Die Menschen in den eher ländlich geprägten Staaten des Mittelwestens sind in der Regel ärmer, weniger gebildet und schlechter versorgt als die „reichen“ Küstenbewohner. Das, so scheint es, ist für viele von ihnen ein vorzeitiges Todesurteil.
Laut JAMA, sind Drogen, Übergewicht und Ablenkung am Steuer durch Smartphones die Hauptursachen für die steigende Sterblichkeit in Amerika. Im Zuge der „Opioid Crisis“ durch massenhaft verschriebene Schmerzmittel, ist das Risiko, an einer Überdosis zu sterben zwischen 1999 und 2017 bei Frauen um 486 Prozent gestiegen, bei Männern um 351 Prozent. Überhaupt sterben Frauen häufiger an Ursachen, die scheinbar mit ihren Lebensumständen zusammenhängen, wie Suizid oder alkoholbedingte Lebererkrankungen.
Wissenschaftler vermuten einen Zusammenhang mit der allgemeinen Stimmungslage in den Vereinigten Staaten. Die Washington Post zitiert Ellen Meara, eine Professorin am Dartmouth Institute for Health Policy and Clinical Practice, die sagt: “Die Menschen fühlen sich schlechter über sich selbst und ihre Zukunft, und das führt dazu, dass sie Dinge tun, die selbstzerstörerisch und nicht gesundheitsfördernd sind.“
Man ist geneigt zu sagen: Selber schuld! Warum musstet Ihr auch Donald Trump wählen? Seit 2016 ist die Zahl der Amerikaner mit Krankenversicherung gesunken, Sozialleistungen wurden gekürzt. 39.7 Million Amerikaner lebten 2017 laut Census Bureau unterhalb der Armutsgrenze, 18,5 Millionen von ihnen sogar in deep poverty, also mit einem Haushaltseinkommen von weniger als 50 Prozent der offiziellen Schwelle zur Verarmung.
Es steht im November also mehr auf dem Spiel als nur die Frage, ob der Clown in Weißen Haus für weitere vier Jahre seine Lachnummer abziehen darf. Für viele Amerikaner könnte es eine Frage von Leben und Tod werden.