Lederer war ein harter Job!

Leder gerben Gerberei

Mein alter Freund Gerwald Mandl stammt aus einer Gerberfamilie in Tamsweg, und sein Haus in der Amtsgasse heißt bis heute das „Ledererhaus“. Im Keller existiert noch ein Gerberbrunnen, wo die stinkenden Abfallprodukte der Lederherstellung über Winter aufbewahrt wurden.

Ich finde das faszinierend, und da Gerwalds Erinnerungsvermögen mit den Jahren leider etwas etwas nachgelassen hat, habe ich den Gerbprozess gegoogelt und bin auf ein paar interessante Tatsachen gestoßen.

Urin (sowohl menschlicher als auch tierischer) spielte in der Geschichte der Lederherstellung eine wichtige Rolle. Die natürlichen Enzyme und das Ammoniak im Urin trugen dazu bei, das Leder weich zu machen und die Fasern aufzuspalten. Dadurch konnten Gerber das Leder besser für den eigentlichen Gerbprozess vorbereiten.

Natürlich war die Geruchsbelästigung für die Nachbarn ein wichtiger Faktor, so daß Gerwalds Vater Mitte des 20sten Jahrhunderts gezwungen war, die Lederherstellung ganz einzustellen, da es sich nicht mehr rentierte. Wo einst die Werkstatt stand, steht heute das Finanzamt und die Polizeiverwaltung sowie das Bezirksgericht. Wo Generationen von Gerbern einst ihre Fleischabfälle und das verwendete Kalk hingemissen haben, spielen heute die Schüler der Tamsweger Schulen Fußball.

Eine der frühesten Methoden der Lederherstellung bestand in der Verwendung von Pflanzengerbstoffen, die aus Baumrinden, Blättern und Wurzeln gewonnen wurden. Dieser Prozess war langsam und dauerte oft Monate, und das daraus resultierende Leder war zwar haltbar, aber steif. In einigen Kulturen, wie im alten Ägypten, wurde Leder mit natürlichen Pflanzenmaterialien gegerbt, während in Europa Eichenrinde eine beliebte Quelle war. Einige Kulturen verwendeten Rauch, um Leder haltbar zu machen und weich zu machen. Bei dieser Methode wurde die Haut dem Rauch von brennendem Holz oder anderem Pflanzenmaterial ausgesetzt. Der Rauch trug zur Konservierung des Leders bei und verlieh ihm einen charakteristischen Geruch. Bei einigen frühen Gerbmethoden wurden tierische Fette und Öle verwendet, wobei Fette aus Gehirnen, Lebern oder Eiern dazu beitrugen, das Leder weich zu machen.

Im Mittelalter und in der frühen Neuzeit blieb die Gerbung mit Baumrinde, insbesondere von Eichen und Hemlocktannen, die vorherrschende Methode. Sie war effizienter als frühere Methoden, aber immer noch zeitaufwendig. Darüber hinaus kam es zur Entwicklung eines Verfahrens, das als Alaungerbung bekannt ist und insbesondere im Nahen Osten und in Europa angewendet wurde, wo Alaun (eine natürlich vorkommende Verbindung) zur Ledergerbung verwendet wurde. Mit dieser Methode konnte das Leder schneller gegerbt werden als mit der vegetabilen Gerbung.

Mitte des 19. Jahrhunderts wurde die Chromgerbung weit verbreitet. Chromsalze wie Chromsulfat beschleunigten den Gerbprozess erheblich und verkürzten die Gerbdauer von mehreren Monaten auf nur wenige Tage. Chromgegerbtes Leder war außerdem weicher, geschmeidiger und widerstandsfähiger gegen Wasserschäden.

Mit dem Aufkommen der Industrialisierung kam die Mechanisierung, und die Lederindustrie erlebte einen Boom. Die Lederproduktion wurde standardisierter, und große Gerbereibetriebe, die Chemikalien wie Chrom und andere Salze verwendeten, wurden zur Norm. Ende des 20. Jahrhunderts begannen synthetische Gerbstoffe, pflanzliche Gerbstoffe zu ersetzen. Diese synthetischen Mittel verbesserten zusammen mit Chromsalzen die Effizienz und Qualität und verringerten gleichzeitig die Abhängigkeit von natürlichen Ressourcen. Der weit verbreitete Einsatz von Chromsalzen führte jedoch aufgrund der toxischen Natur der Nebenprodukte zu Umweltbedenken. Dies führte zu strengeren Umweltvorschriften für die Lederindustrie und zur Suche nach umweltfreundlicheren Alternativen. Infolgedessen stieg das Interesse an der traditionellen pflanzlichen Gerbung wieder an, zusammen mit der Entwicklung umweltfreundlicherer synthetischer Gerbverfahren.

Auch heute noch gibt es die moderne pflanzliche Gerbung, die jedoch hauptsächlich für hochwertige Lederwaren verwendet wird. Sie ist langsamer und arbeitsintensiver, erzeugt aber ein unverwechselbares, langlebiges Produkt. Fortschritte bei chromfreien Gerbverfahren und die Entwicklung neuer synthetischer Gerbstoffe sind inzwischen gängiger. Einige Gerbereien erforschen jetzt biologische Gerbverfahren, bei denen Mikroorganismen oder Enzyme zur Lederverarbeitung eingesetzt werden. Diese Verfahren sind noch umweltfreundlicher, da sie weniger Chemikalien benötigen und weniger Abfall erzeugen.

Durch den Einsatz automatisierter Systeme, verbesserter Maschinen und präziser Verfahrenstechnik ist die Lederherstellung effizienter, konsistenter und kostengünstiger geworden. Bei vielen Prozessen werden heute Maschinen eingesetzt, die Faktoren wie Temperatur und Feuchtigkeit für eine bessere Kontrolle regulieren.

Der Betrieb von Gerwalds Vater ist erst 1955 stillgelegt worden, und Gerwald mußte sich nach einem neuen Traumjob umchauen. Er wurde Universitätsprofessor und ein weltweit anerkannter Fachmann für Unternehmensbewertungen. Ich nehme an, für die alte Lederei hätte er nicht viel gegeben. Sein Vater hat im Ersten und im Zweiten Weltkrieg gute Geschäfte mit Lederstiefeln für die Wehrmacht, aber danach kamen Gummistiefel auf. Eine Zeitlang haben seine Eltern im Erdgeschoss eine Lederwarenhandlung betrieben, aber was sie verkauften stammte meist aus Fernost. Und so erinnert heute nur noch eine Plakette an der Hauswand an das einstige Ledererhaus. Schade eigentlich.

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