Einer wollte auf Quora wissen, welches Land hat mir bei einem späteren Besuch viel weniger gefallen als beim ersten Besuch? Das war für mich der Anstoß, mich an meinen allerersten Griechenland-Urlaub zu erinnern.
Ich bin 1968 als Student mit einem Freund zum ersten Mal mit dem ersten Auto verreist. Griechenland – weil man sich damals mit dem Retsina am billigsten besaufen konnte. Wir sind durchgefahren bis zur Peloponnes und kamen schließlich zur Südspitze bei Monemvasia. Abenteuerreise über schlechte oder gar nicht existierende Straßen, und dann standen wir da, Endstation – es ging nichts weiter!
Wir wollten aber weiter, und genau in dem Moment kam eine alte Fähre um die Ecke und legte an. Wir fragten, wohin es denn gehe, und sie sagten: Kythira!
Die griechische Mythologie besagt, dass Aphrodite auf dieser Insel geboren sei. Also mussten wir hin!
Man hat uns in einem öden kleinen Dorf mit einer Handvoll Häuser abgesetzt, und wir machten uns als allererstes auf die Suche nach einem Glas Retsina. Wir fanden das einzige kafenio, wo die alten Männer saßen, um tagelang Tavoli zu spielen, und man uns unseren Wunsch erfüllte.
Irgendwann fragten wir den Wirt, wo es hier denn ein Hotel gäbe. „Hotel“, meine er und reckte uns das Kinn entgegen. „όχι!“, sagte er. Wir wussten schon, das heisst „nein!“ Es gab auf der ganzen Insel keine Herberge.
Nach einiger Zeit kam der Wirt zurück, und nach langem Palaver und viel Armbewegungen verstanden wir, dass er uns seine eigenes Haus anbot. Die Familie sollte die paar Tage zu Verwandten ziehen. Also wohnten wir eine Woche in seinem kleinen, bescheidnenen, aber blitzsdauberen Dreizimmerhäuschen, badeten, tauchten, fingen Tintenfische für die Abendtafel, wanderten über die Insel und saßen abends mit der Familie am großen Tisch und aßen das, was alle aßen. Es war der schönste Urlaub meines Lebens!
Die Jahre vergingen, und ich dachte immer wieder an Kythira. Und dann habe ich gehört, dass es mittlerweile auf Kyithira einen kleinen Feldflugplatz gäbe, die Aegean einmal am Tag anflog. Ich buchte gleich Tickets für mich und meine Freundin, und wenige Tage später saßen wir eingequetscht zwischen Bauern und ihren Körben mit lebenden Hühnern und ein paar Kindern. Es wurde viel gelacht, und dann standen wir neben der kleinen Holzbaracke des Flugplatzes und schauten uns nach einem Taxi um. Gab’s nicht, aber einer nahm uns mit ins kleine Hafendorf, wo ich auch gleich meinen alten Freund von damals erblickte.
Vor seinem Lokal parkte ein Dutzend schwerer Motorräder mit Münchner Kennzeichen. Ein Motorradclub hatte die Insel vor ein paar Jahren entdeckt, und nun war die Insel voll von lauter Typen in schwarzen Lederjacken mit Tatoos und Sonnenbrillen.
Ich begrüßte den Wirt, der mich aber nicht mehr erkannte. Und freundlich war er auch nicht mehr.
Ob wir etwas zu essen haben könnten?
„Ναί!“, sagte er kurz. Das klingt wie „nee“, bedeutet aber „ja“. Er knallte uns einen Teller mit Mousaka auf den Tisch, brachte den obligatorischen Retsina und verschwand.
Nach uns kamen ein paar Motorradjungs rein und wollten auch essen. „όχι!“, sagte der Wirt, „nein!“ Und in seinem Tonfall schwang ein bißchen Schadenfreude mit. Es gab nichts mehr – aus!
Ich könnte jetzt endlos moralinsauer über den Einfluss des Massentourismus und den Niedergang der einstigen griechischen Gastfreundschaft schreiben, aber ich tue es nicht. Aber ich denke manchmal noch wehmütig zurück an die alte Zeit, als der gleiche Mann uns sein Haus gab und wir endlos miteinander angestoßen und gelacht haben.
έχε γεια – bewahre es in deinem Herzen und lebe wohl!