Über die Figurado

Tischrede anläßlich der Cigarren-Verkostung für den "Feinschmecker" am 22.3.97 im Hotel Bayerischer Hof Palais Monglas in München.

Im Jahre 1995 beschloß man bei Habanos S.A., der Nachfolgegesellschaft der alten Cubatabaco, das "Figurado"-Format, das sich in den 20er und 30er Jahren dieses Jahr-hunderts vor allem in England großer Beliebtheit erfreute, mit einer neuen außergewöhnlichen Zigarrenlinie wieder aufleben zu lassen. Nach zweijähriger Vorbereitungen wurde die "Cuaba"-Serie schließlich am 20. November 1996 im Ballsaal des Londoner Nobelhotels "Claridge's" offiziell vorgestellt. Auch das Vermarktungskonzept ist außergewöhnlich, denn - zumindest offiziell - sollte die Cuaba zunächst weltweit exklusiv in einem einzigen Fachgeschäft in London erhältlich sein.

Der Name Cuaba wird auf die Ureinwohnern der Insel in Kuba zurückgeführt, die Tainos. Als Christoph Columbus das erste Mal in Kuba landete, sah er die Indianer Zigarren rauchen. Da sie noch keine Feuerzeuge besaßen, behalfen sich die Tainos mit den Holzspänen eines Busches, der auf der ganzen Insel wächst und der sehr schnell brannte. Sie nannten diesen Busch "Cuaba", was soviel wie "brennendes Holz" bedeutet Dieses Gewächs wird auch noch heute auf Kuba zur Gewinnung von Holzkohle eingesetzt.

Die geistigen Väter der Cuaba sehen in ihr auch eine Verbindung zur Zigarrenraucher vor der Jahrhundertwende. Damals gab es viele Havanna-Formate, die heute so gut wie verschwunden sind. Davidoff erinnert sich in seinem "Zigarren-Brevier" an "Alvas", "Aromas", "Cedros", "Divinos", "Eminentes", "Invincibles", "Principes", Barones", "Czares", "Patriotas" und "Solamones", und er zählt die bauchige, an beiden Enden geschlossene "Trabuco" schon zu den ge-fährdeten Arten.

Die Havanna-Figurados mit spitzen Ende waren bis in die 20er, 30er Jahre unseres Jahrhunderts sehr beliebt; bei der deutschen Cigarre blieben sie als "Spitzkopf" auch bis in unsere Zeit populär, und ich kann mich gut daran erinnern, daß mein Großvater, der bis in die späten Sechziger Jahre Geschäftsführer der Neuhaus Zigarrenfabriken in Schwetzingen war, dieses Format allen anderen vorzog.

Laut Reichs-tarifordnung für das deutsche Zigarrengewerbe mußte übrigens noch bis 1950 der Lohn des - meist in Akkord arbeitenden - Cigarrenmachers bei der "schwerer herzustellenden D-Klasse (z.B. Spitzkopf) höher sein als bei der Anfertigung von Zigarren der Klasse A (z.B. Coronas)." Vielleicht liegt hierin auch die Erklärung dafür, daß in Kuba die Mode bereits vor dem Zeiten Weltkrieg zu den den straight sided cigars wechselte, zylindrisch geformte Zigarren mit runden Köpfen, wie wir sie heute kennen.

Es wäre jedoch falsch, das Format zu einer reinen Modefrage stilisieren zu wollen. Senor Francisco Linares, President der Habanos S.A., sagt: "Die außergewöhnliche Form wirkt sich auch auf den Geschmack aus." So habe man zum Beispiel sich entscheiden müssen, für das kleinste Cuaba-Format - der "Divinos" - keine rasch brennenden Legero Tabakblätter als Einlage zu verwenden, um den angestrebten Charkter einer Cigarre mit mildem Aroma, aber kräftigen Geschmack, nicht zu gefährden. Das im Volksmund auch als "Torpedo" bekannte Format gilt als echtes Liebhaberstück und verspricht schon aufgrund seiner konstruktionsbedingten physikalischen Eigenschaften eine Überfülle an Duft und Geschmack.

Die Cuaba Linie wird übrigens - etwas überraschend - in der Romeo y Julieta Manufaktur hergestellt und nicht bei Cohiba in El Laguito. Laut Senor Linares liegt das daran, daß nur bei Romeo noch Mitarbeiter mit der Geschicklichkeit und Fertigkeit zu finden waren, um diese alte Form wieder herstellen konnten. Sie sollen nun junge Cigarrenmacher in der fast verlorenen Kunst ausbilden, so daß wir für die Zukunft wohl mit einer ganzen Salve neuer "Torpedos" rechnen können. Dem Vernehmen nach plant zum Beispiel Cohiba in Kürze die (Wieder-) Einführung dieses klassischen Formats.